Joachim Heinrichs,
Pfarrer in Schöneiche von 1930 bis 1955
Joachim
Heinrichs kam im Jahre 1930 von einer Landpfarrerstelle in der Altmark
als Pfarrer nach Schöneiche, zur Zeit der beginnenden Weltwirtschaftskrise
und des wachsenden Einflusses des Nationalsozialismus. Mit ihm kamen seine
Frau Klara, geb. Strauss, die vor ihrer Ehe Diakonissenschwester gewesen
war, und ihre vier Töchtern. Als Pfarrerssohn hatte Heinrichs vor
dem 1.Weltkrieg mit einer ungewissen Zielsetzung und manchen Skrupeln Theologie
studiert, aber noch keinen Abschluß erreicht. Die schweren Erfahrungen
des Krieges, an dem er als Offizier teilgenommen hatte und in dem er durch
eine Verletzung schwerhörig geworden war, brachten den Zögernden
zu dem festen Entschluß, seine Examina abzulegen und Pfarrer zu werden.
In der Altmark fand er in der "Sydower Bruderschaft" einen Kreis von Pfarrern,
der sich zum Ziel gesetzt hatte, die theologische Arbeit besonders durch
gründliche Lektüre von Luthers Schriften zu vertiefen und die
Gemeindearbeit und den Pfarrdienst im Geiste des Neuen Testamentes zu erneuern,
sich aber auch den geistigen Auseinandersetzungen der Zeit, besonders den
Fragen nach sozialer Gerechtigkeit und nach dem Sinn von Volk und Nation
zu stellen.
Widerstand gegen Nazikirche
So war Heinrichs darauf
vorbereitet, sich dem Eindringen der nationalsozialistischen Ideen von
Rassereinheit und Judenfeindschaft und dem Aufbau einer deutschen Nationalkirche
zu widersetzen, die vor allem der Verherrlichung des eigenen Volkes und
seines "Führers" dienen und das Führerprinzip übernehmen
sollte. Bei den Kirchenwahlen im November 1932 fand er noch Mitstreiter,
um den Ansturm der sogenannten "Deutschen Christen" in Schöneiche
einzudämmen. Doch als Hitler am 31. Januar 1933 Reichskanzler geworden
war, formierte sich diese Gruppe mit einer großen Veranstaltung in
Schöneiche, um den Nationalsozialismus auch in der Kirche zum Siege
zu bringen. Es wurden Sondergottesdienste zu den neuen Nationalfeiertagen
mit auswärtigen Pfarrern gefeiert, und, gefördert durch die allgemeine
Volksbegeisterung für die neuen Machthaber, gewannen die Deutschen
Christen schließlich am 23. Juli 1933 die von Hitler erzwungene Wiederholung
der Kirchenwahl. Der Mut, eine Gegenliste aufzustellen, fehlte in den Schöneicher
Gemeinden, so daß der gesamte Gemeindekirchenrat jetzt aus Deutschen
Christen bestand. Nur Pfarrer Heinrichs vertrat entschlossen eine andere
Richtung, und zwangsläufig erregten seine Predigten Anstoß.
Er wurde angezeigt, weil er in ihnen für den Gebrauch des Alten Testamentes
in der Kirche eintrat, den Zwang und die Führerherrschaft in der Kirche
ablehnte und der Staatstotalität das Postulat "Gott verlangt die absoluteste
Totalität" entgegengesetzt hatte.
Bekennende Kirche in Schöneiche
Es war nur konsequent, daß
er sich dem Pfarrernotbund anschloß, der gegründet worden war,
um den getauften Juden beizustehen, die von kirchlichen Ämtern ausgeschlossen
werden sollten, und daß er sich von der deutschchristlich beherrschten
Kirche löste und die Weisungen ihrer Kirchenregierung ihrer Bischöfe
und Superintendenten nicht mehr anerkannte. Mit Gemeindegliedern gleicher
Überzeugung bildete Heinrichs in Schöneiche eine „Bekennende
Gemeinde„ als Teil der 1934 auf Synoden in Barmen und Dahlem ausgerufenen
"Bekennenden Kirche".
Schikanen für Pfarrer
Heinrichs
Als Folge dieser Entscheidung
mußte Heinrichs in den nächsten Jahren ständig gegen Beeinträchtigungen
seiner Arbeit kämpfen. So wurde ihm zeitweise ein deutschchristlicher
Pfarrer zur Seite gestellt. Man bezichtigte ihn auch finanzieller Untreue,
doch mußte ihn das Konsistorium, das seine kirchenpolitische Einstellung
nicht billigte, entlasten. Als 1939 der 2. Weltkrieg ausbrach, war seine
Entfernung aus dem Kirchendienst schon beschlossen, weil er einen Urlaubsantrag
an den Vertrauensmann der "Bekennenden Kirche" und nicht an den Superintendenten
gerichtet hatte, aber wegen des Krieges wurde die Strafmaßnahme ausgesetzt.
Zum Glück gab es viele Gemeindeglieder, die ihren Pfarrer in all diesen
Jahren stützten und ihm eine neue Gemeindeleitung, den "Bruderrat",
zur Seite stellten.
Helfer für Verfolgte
Mit Heinrichs' Verständnis
des Christentums waren Mißachtung, Ausgrenzung und Verfolgung von
Menschen unvereinbar, die den biologistischen und rassistischen Vorstellungen
der Nationalsozilisten nicht entsprachen. Deshalb nahm er sich bewußt
der bedrohten Gemeindeglieder jüdischer Herkunft an und versuchte
zusammen mit seiner Frau, ihnen beizustehen. Das betraf in erster Linie
Menschen aus Schöneiche, aber es ist bekannt geworden, daß er
auch zur Deportation bestimmten jüdischen Flüchtlingen aus Berlin
erste Unterkunft gewährt hat. Beispielhaft für sein Handeln ist
die Unterstützung für Susanne Ritscher, die ihr Mann wegen ihrer
jüdischen Herkunft verlassen hatte, und ihre Kinder. Leider ist von
alledem noch viel zu wenig bekannt, denn obwohl er sie ihn in große
Gefahr brachten, hat Heinrichs später nicht darüber berichtet.
Er sah in seinen Hilfeleistungen nichts als die Erfüllung eines Auftrages,
der ihm und allen Christen gestellt war.
Gemeindeaufbau nach dem
Krieg
Nach dem Krieg gab es einen
ermutigenden Neuanfang in der Gemeinde, aber auch neue, ihn belastende
Schwierigkeiten. Auch dabei war die Beteiligung seiner Frau an der Gemeindearbeit
wesentlich, da sie mit ihrer freundlichen und offenen Art seine Bemühungen
ergänzen konnte, zumal ihm der Zugang zu manchen Menschen wegen seiner
Schwerhörigkeit und wohl auch seiner Neigung zu schroffer Reaktion
verschlossen blieb
Wie Dapp war auch Heinrichs
ein "Menschenfreund". Ohne Rücksicht auf seine eigene Sicherheit war
er der Mehrheitsmeinung und der Macht entgegengetreten, und half Menschen
zu helfen, die dem Hass und der Vernichtung ausgeliefert waren.
Konrad von
Rabenau